Band-Biografie
Bill Berry
Peter Buck
Mike Mills
Michael Stipe

Bill Berry - Biografie

William Thomas "Bill" Berry wurde am 31.07.2023 als j�ngstes von f�nf Kindern in Duluth, Minnesota, geboren. �ber seine Kindheit ist wenig bekannt, au�er, da� die Familie Berry h�ufig den Wohnort wechselte. So kam Bill Mitte der Siebziger Jahre nach Macon, Georgia, und zwar gerade noch rechtzeitg, um den ersten Tag in seiner neuen Schule nicht zu verpassen.

"Ich sah die Schule eher als unser neues Haus", erinnerte sich Bill. "Meine Eltern setzten mich an der Bushaltestelle ab."

In Bills Familie wurde gro�en Wert darauf gelegt, da� jeder mindestens ein Instrument spielte... zuerst fing Bill an, Ukulele zu spielen. Als er dann den Wunsch �u�erte, Schlagzeug zu lernen, schlugen ihm seine Eltern dies nicht ab... verbannten ihn und sein Drumkit allerdings in die Garage.

Die Berrys lebten in einer Gegend, sie vornehmlich von Schwarzen bewohnt wurde und Bill war ersch�ttert, als er das erste Mal mit Rassismus in Ber�hrung kam.

"Ich wollte mich nach der Schule mit einem M�dchen treffen, die ich mochte", erz�hlt Bill. "Statt ihrer erschienen ihre Br�der und machten mir sehr handgreiflich klar, da� sie nicht wollten, da� ihre Schwester sich mit einem Wei�en trifft. Ich konnte das �berhaupt nicht glauben, aber so war es. Man blieb unter sich."

In der Highschool von Macon traf Bill auch erstmals seinen sp�teren Freund und Bandgef�hrten Mike Mills. Beide spielten in der Highschool-Band und es ist mittlerweile in jedem Interview nachzulesen, da� sich die beiden anfangs nicht auf den Pelz gucken konnten.

"Der Typ war mir verha�t wie kein zweiter", lacht Bill. "Immer adrett gekleidet, nur beste Noten, flei�ig und freundlich und mit den Lehrern kam er auch gut klar. �tzend. Und ich hing damals mit einer Clique herum, die in Bars ging, die Schule schw�nzte und mit Drogen experimentierte... der Typ rauchte noch nicht einmal Zigaretten, geschweige denn mal einen Joint!"


Bill spielte Schlagzeug in verschiedenen Sch�lerbands, als ihn eines Tages ein Freund um Hilfe bat - der Drummer seiner eigenen Band war krank geworden und Bill wurde gefragt, ob er einspringen k�nnte. Bill sagte zu, packte sein Schlagzeug in den Wagen und fuhr zu der angegebenen Adresse. Nachdem alles aufgebaut war, sa� man zusammen... und wartete. Auf den Bassisten. Der mal wieder zu sp�t kam. wink

"Wir sa�en also und warteten", erz�hlte Bill in einem Interview 1991, "darauf, da� der Bassist kommt - das tun wir �brigens bis heute! - (lacht), und dann h�ren wir Schritte die Kellertreppe herunterkommen und wer ist es? Mike Mills. Ich schw�re, wenn ich ein handlicheres Instrument gespielt h�tte, ich h�tte auf der Stelle meinen Kram gepackt und w�re gegangen."

Bill blieb. Und nach der Session begruben er und "der Typ" das Kriegsbeil. Der friedliebende Mike war es, der den ersten Schritt tat und Bill bei einem Bier ansprach: "He, das ist doch l�cherlich." Und Bill gab zu: "Du hast recht." Der Beginn einer langen und herzlichen Freundschaft - bis heute. Bis zu ihrem Highschool-Abschlu� spielen Bill und Mike zusammen in einer Band und treten unter anderem bei Schulfeten auf.

1978 (in manchen B�chern steht auch, 1977 oder 1976) schrieben sich Bill und Mike an der Universit�t in Athens ein und zogen dort gemeinsam in ein kleines H�uschen in einem billigen Studentenviertel. Mike wollte Literatur studieren, Bill schrieb sich in Jura ein. An Musik dachten beide noch nicht im entferntesten. Und Geld hatten sie auch keins. Mehr schlecht als recht hielten sie sich mit verschiedenen Jobs �ber Wasser - Bill arbeitete unter anderem als Hotelpage, als Kurierfahrer und sp�ter als M�dchen f�r alles in der K�nstleragentur Paragon, die von einem gewissen Ian Copeland geleitet wurde.

Bereits kurze Zeit sp�ter lernte Bill �ber seine damalige Freundin Kathleen O'Brian zwei ulkige Gestalten kennen, mit denen Kathleen in einer heruntergekommenen Kirche in einer Wohngemeinschaft hauste. Der introvertierte Kunststudent Michael Stipe und ein gewisser Peter Buck, der sich selber mehr schlecht als recht das Gitarrespielen beigebracht hatte und in einem Plattenladen jobbte, tr�umten davon, eine Band zu gr�nden. Nur leider spielte Michael kein einziges Instrument. Grund genug f�r Kathleen, ihren beiden Mitbewohnern ihren Freund Bill vorzustellen. Und der brachte seinen alten Kumpel Mike in's Spiel.

"Bei unserem ersten Treffen fehlte Mike", erinnert sich Bill. "Ich sagte, okay, hier seid ihr, Vocals und Gitarre, und hier sind wir, Drums und Bass. Wie w�r's?" Man verabredete sich zu einer unverbindlichen Session, die allerdings wenig erfolgversprechend war, weil Mike so betrunken war, da� er kaum gerade stehen konnte. Michael soll entsetzt gewesen sein: "Nie im Leben spiele ich mit dem in einer Band!" Es ist Peter zu verdanken, da� die Vier zu einem sp�teren Zeitpunkt ein weiteres Mal zusammenkamen - und dieses Mal sprang der Funke �ber. smile

"An Erfolg dachten wir nicht", erz�hlt Bill. "Wir machten einfach Musik und hatten Spa� und jede Menge Parties." Und nat�rlich jeweils noch einen ertr�glichen Nebenjob. Es ist kein Wunder, da� das Studium �ber alle diese Aktivit�ten ein wenig zu kurz kam. Bill war der erste, der exmatrikuliert, sprich, rausgeschmissen wurde - er hatte so gut wie keine Vorlesung besucht. Kurze Zeit sp�ter zog auch er zu Michael, Peter und Kathleen in die Kirchen-WG. Und �rgerte sich so manches Mal �ber seinen Hotel-Job, der ein recht fr�hes Erscheinen notwendig machte.

"Die anderen gingen immer gerade in's Bett, wenn ich in meiner Hotelboy-Uniform erschien und zur Arbeit mu�te", lacht Bill. "Und dumme Spr�che gab es nat�rlich jedes Mal. Bis sp�ter, Bill! Hab' einen sch�nen Tag!"

Obwohl die vier bereits regelm��ig miteinander Musik machten und ein ansehnliches Repertoire an Coversongs eingespielt hatten, waren sie noch nie zusammen aufgetreten. Das �nderte sich jedoch bald - an jenem legend�ren 5. April 1980, als Kathleen eine gro�e Geburtstagsparty gab.


"Wir machten uns vor Angst fast in die Hosen", erinnert sich Bill heute an den ersten Auftritt, den die Band unter dem Namen "Twisted Kites" gab. "Wir dachten bis kurz vor dem Auftritt, da� wir im Grunde immer noch aufh�ren k�nnen..."

Aber der Auftritt wurde ein Erfolg. Die ca. 300 mehr oder weniger geladenen Partyg�ste am�sierten sich k�stlich und die Band beschlo�, weiterzumachen... unter dem Namen R.E.M., den Michael Stipe aus dem W�rterbuch heraussuchte.

Obwohl die Band von Anfang an als Einheit verstanden werden wollte, ergab sich das perfekte Zusammenspiel aus den vier verschiedenen Charakteren, die sich zu einer Einheit zusammengetan hatten. W�hrend Michael, der scheue, sensible Poet, als das "Hirn" bezeichnet werden kann, Mike, der aufgeschlossene, fr�hliche Kumpel als das "Herz", und Peter von beidem etwas mitbrachte, war Bill in der Anatomie der Band mit Sicherheit das "R�ckgrat" - verl��lich und stabil, musikalisch wie menschlich. Bei Interviews hielt er sich meistens im Hintergrund. Politische Statements �berlie� er eher Michael, der seine Meinung in Wahlwerbespots ("Don't get bushwacked!") und auf T-Shirts ("White House stop AIDS!") kundtat, kleinere Skandale �berlie� er Peter, der in die Schlagzeilen geriet, als er nach der Wahl von George Bush sen. zum U.S. Pr�sidenten volltrunken zu einem Interviewtermin erschien und forderte, diesen Pr�sidenten "am besten gleich zu erschie�en". Seine freie Zeit verbrachte Bill gerne beim Angeln, mit dem Sammeln von Antiquit�ten und mit seiner Freundin Mari, die er im M�rz 1986 heiratete.

Ein Journalist bezeichnete Bill Berry einmal als "noch geheimnisvoller als Michael Stipe". Denn w�hrend Michael sich vom sch�chternen Frontman wider Willen im Laufe der Jahre in einen glamour�sen Rockstar verwandelte, der seine Position im Scheinwerferlicht zunehmend geno�, hielt Bill sich weiterhin im Hintergrund. Wenn er einmal in einem anderem Zusammenhang als mit R.E.M. in der Presse auftauchte, dann in Zusammenhang mit Spenden f�r die Tourette-Syndrom-Organisation, die Bill seit langem unterst�tzt, da ein enger Freund von ihm an dieser seltenen Nervenkrankheit leidet. Oder man sah seinen Namen auf einer Liste prominenter Spender f�r die Tierschutzorganisation PETA. Die meisten Aktionen f�r wohlt�tige Zwecke trug die Band jedoch gemeinsam - ebenso wie eine Stiftung zur Erhaltung des historischen Stadtbildes von Athens, die "Athens Heritage Society".

Auch was ihr Privatleben betrifft, so sind und waren die vier Bandmitglieder sehr auf Zur�ckhaltung bedacht. Skandale wie bei anderen Rockbands, die schon einmal im Suff und Drogenrausch eine Hotelsuite zerlegen, gab es bei R.E.M. nie. Sogar Michael Stipes Coming Out Anfang der 90er Jahre schockte niemanden so richtig. Von Bill ist bekannt, da� er und seine Frau Mari sich Anfang der 90er Jahre eine alte Stadtvilla in Athens und ein St�ck Land au�erhalb der Stadt kauften. Bald darauf gab es Unruhe um das Haus. Da Bill nur das Haus, nicht aber das Grundst�ck erworben hatte, bestand die Stadtverwaltung auf ihr Nutzungsrecht und wollte Bill das Haus wieder abkaufen - um es abzurei�en. Bill l�ste das Problem auf seine Weise: Er lie� das Haus abtragen und auf seinem eigenen Land wiederaufbauen und gleichzeitig im alten Stil restaurieren. Es dauerte insgesamt fast drei Jahre, bis das Anwesen fertiggestellt war und Bill lebt noch immer dort.



Bill, der Musiker
Da R.E.M. von Anfang an alle vier Mitglieder stets als Songwriter angeben, und zwar in alphabetischer Reihenfolge, kann nicht nachvollzogen werden, welcher Song von welchem der Vier ist, und das ist ganz im Sinne der Band. Es hat sich im Laufe der Jahre allerding herumgesprochen, da� Mike Mills f�r "Nightswimming" verantwortlich zeichnet, auf Peters Konto eine ganze Reihe der eher rockigen Songs gehen, und es ist eh' bekannt, da� Michael zu allen Songs die Lyrics verfa�t. Bill, der neben Schlagzeug auch Gitarre, Bass und ein wenig Klavier spielt, schrieb, soviel ist bekannt, die Musik zu "Perfect Circle" und "Everybody Hurts". Aber sehr viel h�ufiger als komplette Songs entwarf er die Anfangssequenzen f�r eine ganze Menge Songs, die dann von ihm, Peter und Mike gemeinsam ausgearbeitet wurden. So gehen die sanfte Gitarrenmelodie, die "Man on the Moon" einleitet, ebenso auf sein Konto, wie das herzergreifende, sanfte Intro zu "Leave", welches er zwischen zwei Proben auf der "Monster-Tour" entwarf und auf einem winzigen tragbaren Recorder festhielt. Genau diese Aufnahme wurde f�r den fertigen Song verwendet. Auch den Anfang zu "Tongue" und zu "How the West was won" soll er geliefert haben.

"Ich m�chte nicht wissen, wie viele fertige Songs Bill noch immer in irgendeiner Schublade herumliegen hat", sagt Peter. "Er schrieb gern, einfach so zum Spa�. Aber die meisten Songs gingen in eine ganz andere Richtung als das, was wir bei R.E.M. so machten."

1991 gr�ndete der damalige R.E.M.-Manager Jefferson Holt sein eigenes Plattenlabel "Dog Gone". Bill spielte aus Jux unter dem Pseudonym "Thirteen-One-Eleven" eine Single dort ein - eine flotte kleine Country-Ballade mit dem Titel "My Bible is the latest TV-Guide".



Bill, der Produzent und Arrangeur
"Wenn ich einen Song aufnehme, dann ist er zw�lf Minuten lang und klingt scheu�lich", erz�hlt Peter Buck. "Wenn Bill ihn sich vorgenommen hat, ist er pl�tzlich viereinhalb Minuten lang und klingt ganz bezaubernd."

Tats�chlich schien es Bills gr��te Begabung zu sein, Songs zu arrangieren und zu produzieren. Auch Mike erz�hlt in einem Interview: "Wir anderen neigten immer dazu, zu lange an einem Song herumzuspielen und zu probieren. Wenn Bill nach einer Probe oder nach einer Aufnahme sagte, der Song ist jetzt fertig, dann vertrauten wir ihm blind."

Die Band war stets an der Produktion der Alben beteiligt, und sowohl Peter als auch Bill arbeiteten nebenbei gerne einmal mit anderen Bands oder K�nstlern. Bill produzierte zwei Songs auf einem Sampler von jungen und alteingesessenen Bands aus Athens - "Welcome Companions", ein Benefiz-Album f�r die Tourette Syndrome Association. Er arbeitete auch an dem Comeback-Album seiner alten Weggef�hrten Love Tractor als Produzent mit und zuletzt produzierte er 2001 in den John Keane Studios in Athens dein Album der jungen Band RANA. (Infos und Fotos auf www.rana.com)



"Green"
Nachdem die Band 1987 ihr f�nftes Album "Document" ver�ffentlicht hatte, lief ihr Vertrag mit dem Independent-Label I.R.S. aus. Eine ganze Reihe gro�e Labels war inzwischen auf die unkonventionelle Truppe aus Athens aufmerksam geworden - mit "Document" eroberten sie erstmals die Charts, was ihnen trotz einer stetig wachsenden Fangemeinde und einer Reihe brillianter Alben und hervorragender Kritiken verwehrt geblieben war. Doch pl�tzlich war da "The One I Love"... R.E.M. entschied sich, einen Vertrag bei Warner Bros. zu unterzeichnen. Sie legten nach wie vor Wert darauf, k�nstlerisch unabh�ngig arbeiten zu k�nnen und Warner sagte ihnen absolute k�nstlerische Freiheit zu. Mit "Green", dem ersten Album unter dem neuen Label, stand dann auch die erste Welttournee an - f�r die Band, die ein knappes Jahrzehnt in einem klapprigen Kleinbus durch die Staaten getingelt waren und kaum einen Club oder einen Pizza-Imbi� ausgelassen hatten, ein bedeutender Schritt nach vorne. Und die Tour wurde ein Riesenerfolg. Die Band f�llte m�helos die gr��ten Hallen und begeisterte Kritiker und Publikum gleicherma�en. Vor allem Michael Stipe �berraschte - der fr�her so sch�chterne Frontman gab sich auf der B�hne extrovertiert und flitzte wie ein Derwisch mit gro�en Gesten und dramatischem Augen-Make-Up �ber die B�hne, zelebrierte seine Songs und sprach immer wieder eindringlich mit dem Publikum.

Als Bill eines Abends, kurz vor dem Konzert in M�nchen, hohes Fieber bekam, dachte zun�chst noch niemand etwas Schlimmes. Als das Fieber jedoch im Laufe der Nacht in kritische H�hen stieg, Bill nicht mehr ansprechbar war und zudem einen sonderbaren Hautausschlag entwickelte, wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Und dort begann ein Kampf auf Leben und Tod - die deutschen �rzte versuchten ohne Erfolg, das Fieber zu bek�mpfen und hatten keine Erkl�rung f�r Bills Zustand. Von der Viruserkrankung Rocky Mountain Spotted Fever, die durch Zeckenbisse �bertragen wird, hatten sie noch nie geh�rt. Erst hektische Telefonate mit �rzten aus den Staaten ergaben die richtige Diagnose und Behandlung. Bill kam wieder zu sich und erholte sich schnell - zwei Wochen sp�ter wurde die Tour in Frankfurt fortgesetzt. Von deutschen �rzten hat Bill alerdings seitdem keine allzuhohe Meinung mehr.

"Sie h�tten mich fast umgebracht", grollte er, "dabei w�re es so leicht gewesen, sofort einen Arzt aus den Staaten zu Rate zu ziehen. Bei uns ist diese Krankheit relativ verbreitet - jeder amerikanische Arzt h�tte das sofort sagen k�nnen. Aber die mu�ten ja zuerst selber herumprobieren..."



Vom Geheimtip zum Mega-Act
Nachdem R.E.M. fast zehn Jahre lang nahezu pausenlos auf Tour gewesen waren, beschlossen sie, sich 1990 eine Pause zu g�nnen. Auch die Verantwortlichen von Warner Bros. rieten ihnen dazu: "Macht mal Urlaub, ihr habe es euch verdient", soll der damalige Pr�sident von Warner Bros., Lenny Waronker (Vater von Joey Waronker), gesagt haben. Und so zogen sich Berry, Buck, Mills und Stipe nach Athens zur�ck, wo sie alle H�user besa�en, um auszuspannen. Sehr lange hielt dieser "Urlaub" jedoch nicht vor. Peter Buck beschrieb es einmal so: "Einfach herumsitzen und nichts tun, das war einfach nicht unser Ding. Schon sehr bald trafen wir uns wieder und spielten ein bi�chen herum." Das Ergebnis dieses "Herumspielens" wird sp�ter einmal als jenes Album in die Musikgeschichte eingehen, welches R.E.M. endg�ltig an die Spitze schwemmt - "Out of Time". Sowohl das Album als auch die Single "Losing my Religion", ein Song, der gleich nach dem Erscheinen bereits ein Klassiker wurde, standen monatelang auf der ganzen Welt an der Spitze der Charts. �ber Nacht waren die Vier aus Athens weltber�hmt und millionenschwer geworden. Und nicht nur die Musik, auch die dazugeh�rigen Videos, bei welchen R.E.M. ihrer Zeit einmal mehr ein ganz kleines Bi�chen voraus waren, wurden mit Preisen �berh�uft. Besonders die surrealen Bilder, mit denen der junge indische Regisseur Tarseem Singh den Mega-Hit "Losing my Religion" illustriert hatte, gelten als Meilenstein des Musikvideos. In Irland wurde das Video allerdings auf den Index gesetzt - die religi�se Symbolik in engem Zusammenhang mit (homo-)sexuell verstandenen Figuren und Bildern emp�rte das gr��tenteils katholische Land. Auch im Fernsehen waren R.E.M. schlagartig gerngesehene G�ste. Auf ihren pl�tzlichen Weltruhm reagierten die vier allerdings dann doch wieder typisch "R.E.M.-isch": Michael Stipe nutzte die Video-Award-Verleihungen sehr wirksam, um seine politische Meinung kundzutun und als Gegenreaktion auf die Tatsache, da� pl�tzlich die ganze Welt von ihnen sprach, unternahmen die Jungs eine kleine "Unplugged"-Tour durch eine Handvoll kleine Clubs - unter dem Pseudonym "Bingo-Hand-Job". Die Legende erz�hlt, da� die Karten f�r ein Bingo-Hand-Job-Konzert f�r knapp 3 englische Pfund verkauft wurden - bis ein findiger Journalist herausgefunden hatte, um wen es sich bei dieser Band wirklich handelte. Von einer Minute zur n�chsten stiegen die Preise auf 125 Pfund; auf dem Schwarzmarkt wurde sogar das Doppelte gezahlt.

1992 wurden R.E:M. endg�ltig unsterblich. Ihr Album "Automatic For the People" �bertraf den Vorg�nger nicht nur bei den Verkaufszahlen - es lieferte sogar drei Klassiker als Single-Auskoppelung: "Drive", "Man on the Moon" und "Everybody Hurts". Die "Automatic", benannt nach einem Soul-Food-Restaurant in Athens, gilt f�r viele Fans und Kritiker als ihr bestes Album.

R.E.M. konnten wirklich stolz auf sich sein - sie hatten erreicht, was sie wollten, ohne ihren Prinzipien untreu zu werden, ohne ihre Ideale zu verraten und ganz auf ihre Weise. Nur einer war nicht gl�cklich �ber den gro�en Erfolg, die Preise und Auszeichnungen, die �ber sie hereinbrachen, die Einladungen in Shows und auf jedes nur denkbare Musik-Event. Und das war Bill Berry.

"Ich hatte Angst, da� wir unsere Glaubw�rdigkeit verlieren w�rden", gesteht er viele Jahre sp�ter sein Unwohlsein. "Ich hatte Angst, das Bandgef�ge k�nnte darunter leiden."

Bills Sorge war zwar unbegr�ndet - keinem der vier Freunde stieg der Erfolg in irgendeiner Weise zu Kopf. Die Band blieb eine Einheit und ging auch weiterhin unbeeindruckt ihren Weg. Aber trotzdem waren diese Jahre, die von vielen als der H�hepunkt ihrer Karriere bezeichnet werden, die Zeit, in welcher sich Bill zur�ckzuziehen begann. Sp�ter sollte Peter Buck einmal sagen: "Seit den fr�hen Neunzigern fing Bill an, sich zu ver�ndern. Er schien schon damals nicht mehr so mit dem Herzen dabeizusein. Es schien alles wie immer... aber er war nicht mehr der Typ, den ich zehn Jahre vorher kennengelernt hatte."



"Das Jahr des "Monsters"
1994 war dann auch das n�chste Album fertig - das "Monster". Obwohl die Aufnahmen nicht immer einfach waren, und kurz nacheinander zwei enge Freunde von Michael gestorben waren (River Phoenix, der Schauspieler, an einer �berdosis Drogen, ihm ist das Album gewidmet, und "Nirvana"-Frontman Kurt Cobain, der Selbstmord beging), wurde das neue Werk mit Spannung erwartet, vor allem, weil die Band sich entschieden hatte, wieder auf Tournee zu gehen.

"Das letzte Mal lag nun auch schon wieder f�nf Jahre zur�ck", sagte Bill. "Und wir waren einfach wieder reif f�r eine Tour."

Peter erz�hlte dem amerikanischen Musiksender VH-1 sogar in einem langen Interview, da� es Bills Idee gewesen sei, wieder zu touren. "Er meinte, wenn wir nicht touren w�rden, w�rde doch etwas fehlen. Das geh�re doch dazu. Also sagte ich, okay, also ich bin dabei. Wir touren."

Auch wenn die Presse verhalten reagierte - zu gro� war wohl der Kontrast zwischen dem melodischen, von Geigen und akustischen Gitarren getragenen "Automatic for the People" - so war doch das "Monster" wie geschaffen, um gro�e Hallen zum Toben zu bringen. Aggressive Gitarren, h�mmernde Drums und Michaels Stimme, die mehrere Oktaven umfassend singt, schreit, wispert und brummt. Viele Journalisten titulieren das Werk als R.E.M.'s "Sex-Album" - vermutlich, weil Michaels Texte direkter und aggressiver sind als vorher.

"Wir haben vor bis zu 90.000 Leuten in einer Nacht gespielt. Und wir hatten auch die richtige Show daf�r - es war toll", erinnert sich Peter. Und tats�chlich startete die Tour erfolgreich. Die Band spielte in ausverkauften Hallen und Stadien, hatte sie doch in den vergangenen f�nf Jahren stetig eine Menge Fans dazugewonnen.

Am 1. M�rz 1995, w�hrend des Konzerts in Lausanne, geschah dann, was von manchen Journalisten der "Fluch des Monsters" genannt werden w�rde. Noch w�hrend die Band "Tongue" spielte, stand Bill pl�tzlich auf und brach mit rasenden Kopfschmerzen zusammen. "Er sah aus wie aus der 'Nacht der lebenden Toten' ", erinnert sich Peter. "Ich fragte ihn, Jesus, Bill, was ist denn los, und er fl�sterte, ich habe die schlimmste Migr�ne meines Lebens."

Bill wurde hinter die B�hne gebracht, aber die �rztin, die ihn untersuchte, verkannte den Ernst der Lage. So empfahl sie Bill, eine Kopfschmerztablette einzunehmen und sich Ruhe zu g�nnen. Die Band spielte den Set derweil zu Ende - der Drummer der Vorgruppe war eingesprungen und wuselte sich irgendwie durch die Setlist.

Als es Bill nach einigen Sunden nicht besserging, sondern die Schmerzen immer schlimmer wurden, brachte man ihn ins Krankenhaus, wo sein Kopf durchleuchtet wurde. Die �rzte diagnostizierten zwei Aneuyrismen (erweiterte Arterien, die kurz vor dem Platzen sind) und rieten zur sofortigen Operation. Michael, Mike und Peter wu�ten genau, was das bedeutete - die Tour war in ihren Augen beendet. Obwohl die Veranstalter darauf dr�ngten, die Tour mit einem Ersatzmann fortzusetzen, waren sich alle einig, so lange bei Bill zu bleiben, bis er sich von der OP erholt habe, komme, was da wolle. Und alle vermuteten insgeheim, da� das sehr lange dauern w�rde.

"Wir wu�ten nicht, ob er vielleicht gel�hmt bleiben w�rde, ob sein Ged�chtnis noch funktionieren w�rde, ob er �berhaupt �berleben w�rde", sagt Peter. "Alles, was wir wu�ten, war, da� wir ihn nicht im Stich lassen und die Tour ohne ihn fortsetzen w�rden. Das l�uft bei uns nicht."

Als Bill erfuhr, da� die OP ein gro�es Risiko bedeuten w�rde, packte ihn die Angst. "Ich wollte nicht, da� es so aufh�rt", sagte er sp�ter. "Ich wollte immer noch in der Lage sein, aus einem Bandmeeting rauszurennen und die T�r hinter mir zuzuknallen. Aber nicht so."

Umso gl�cklicher waren alle schlie�elich, als Bill nach der OP wieder zu sich kam und die �rzte ihm bescheinigten, da� die Operation erfolgreich verlaufen sei und er keine bleibenden Sch�den davontragen w�rde. Tour-Musiker und langj�hriger Freund der Band Scott McCaughey erinnert sich an seinen ersten Besuch bei Bill im Krankenhaus: "Er lag da mit halbrasiertem Sch�del und konnte kaum sprechen, so hatte man ihn mit Schmerzmitteln vollgestopft. Ich sagte so etwas wie, hey, Bill, gut siehst du aus! Und Bill fl�sterte, wenn ich jetzt gut aussehe, m�chte ich lieber nicht wissen, wie ich aussehe, wenn ich mal schlecht aussehe... mir fiel ein Stein vom Herzen. Offensichtlich hatte er nicht nur die Operation gut �berstanden, sondern auch bereits seinen Humor wiedergefunden."



Bill erholte sich so schnell, da� selbst die �rzte von einem medizinischen Wunder sprachen. Bereits zwei Wochen nach der Operation ging er auf dem Krankenhausgel�nde spazieren. Sechs Wochen sp�ter erkl�rte er sich bereit, die Tour fortzusetzen. Seine Freunde waren unsicher: "La�' es uns langsam angehen", soll Peter gesagt haben, aber Bill wollte wieder auf die B�hne, an die Drums, und da weitermachen, wo er aufgeh�rt hatte. Da die �rzte keine Bedenken �u�erten, stand der Monster-Tour nichts mehr im Wege.

Als Bill ein Jahr sp�ter gefragt wurde, wie er selbst diese kritische Zeit erlebt habe, erinnerte er sich: "Es tat so weh, als h�tte man mir eine Bowlingkugel an den Kopf geworfen. Mir wurde schwarz vor Augen und ich fiel um. Es war einfach entsetzlich." "Sofort als ich aufwachte, wu�te ich, da� mein Hirn in Ordnung ist. Ich erinnerte mich, was passiert war, ich erinnerte mich an meinen Namen, meine Telefonnummer, meinen Geburtstag, an meine Sozialversicherungsnummer. Und ich dachte nur, wow... das war ein sehr, sehr gl�cklicher Moment." "Das erste Konzert, welches ich wieder gespielt hatte, nach der Operation, das war mein Tour-Highlight. Als ich nach der Show die B�hne verlie�, da fiel mir ein riesiges Gewicht von den Schultern. Ich war wahnsinnig gl�cklich und dankbar. Und dann fuhr ich ins Hotel und ging schlafen."

Es ist typisch f�r Bill, seine lebensgef�hrliche Operation herunterzuspielen und nicht viel dar�ber zu sprechen. Aber diese Wochen im Krankenhaus ver�nderten ihn nachhaltiger, als es ihm anfangs vielleicht selbst bewu�t war.

"Ich lag drei Wochen lang nur im Bett und konnte nichts tun, als nachzudenken", sagt Bill. Und in diesen drei Wochen ordnete er sein Leben neu. "Es mag komisch und kitschig klingen, aber Sonnenaufg�nge haben seitdem eine ganz neue Bedeutung f�r mich", gibt er zu. "Und zu Hause zu sein, war f�r mich pl�tzlich wichtiger als alles andere auf der Welt."

W�hrend der Tour, die noch zweimal wegen Krankheit unterbrochen werden mu�te (Mike mu�te sich einer Blinddarm-Operation unterziehen, Michael erlitt einen Eingeweidebruch), arbeitete die Band bereits an ihrem n�chsten Album - "New Adventures in HiFi". Es sollte Bills letztes Album als Drummer, Songschreiber und Gr�ndungsmitglied von R.E:M. werden.



Einen Teil der Songs, die auf der "New Adventures" erschienen, hatte die Band bereits w�hrend der "Monster"-Tour aufgenommen und �berarbeitete die fertigen Songs nur noch leicht im Studio nach ihrer R�ckkehr nach Athens. Peter sagte dazu, da� die meisten Aufnahmen einfach schon so sch�n geklungen h�tten, da� sie gar nicht mehr viel daran machen mu�ten. Und so erinnert das Album mit seiner bescheidenen Aufnahmetechnik und seiner melancholischen "On the Road"-Stimmung auch ein wenig nach ihren ganz fr�hen Alben. "Es geht darum, sich nach Hause zu sehen - wo auch immer zu Hause ist", sagte Michael Stipe.

Ein gutes Jahr sp�ter wollten sich die Vier erneut treffen, um an einem neuen Album zu arbeiten. Die ersten Proben sollten auf Hawaii stattfinden, wo Peter ein Haus mit einem integrierten Studio besitzt.

Schon fr�h hatte Bill einen charakteristischen Spitznamen von seinen drei Freunden bekommen: "I-go-now"-Bill Berry. Angeblich war er stets der erste, der ein Bandmeeting verlie� oder vom Essen aufstand - stets mit einer gemurmelten Entschuldigung und den abschlie�enden Worten: "I go now." Die Legende sagt, da� er sogar bei einem Konzert im Jahre 1988 vor Ende der Show verschwand, und es Peter, Mike und Michael �berlie�, die Zugaben ohne Drums, sozusagen "acoustic" zu geben. "Bill ist schon auf dem Heimweg", so entschuldigte sich Michael bei der erstaunten Fans, "er m�chte nicht in den Stau kommen." Von dieser exzentrischen Angewohnheit abgesehen, war Bill jedoch immer ein Musterbeispiel an Zuverl�ssigkeit und P�nktlichkeit. "Wenn wir vier uns f�r zehn Uhr morgens verabredeten", so erz�hlte Peter einmal, "erschien Bill um Viertel vor zehn, ich um zwei Minuten nach zehn, und Mike und Michael dann so gegen... zwei. Es war immer angebracht, ein Buch dabeizuhaben." Dementsprechend komisch mu� es Peter, Mike und Michael vorgekommen sein, da� Bill pl�tzlich nicht zu Proben erschien, den ganzen Tag am Strand entlangspazierte und sich erst wieder zu einem gemeinsamen Abendessen blicken lie�. Peter glaubte, zu wissen, was seinen alten Freund bedr�ckte: "Erst kurz vorher war Bill von seiner Frau Mari geschieden worden. Ich bin selbst bereits einmal geschieden. Ich wei�, wie sehr das einen belasten kann. Bill hat wenig dar�ber gesprochen, aber ich dachte, er macht bestimmt jetzt eine schwere Zeit durch und sagte den anderen, sie sollten ihn ruhig mal allein lassen. Da� er mit dem Gedanken spielte, die Band zu verlassen - darauf w�re ich im Traum nicht gekommen."

Der erste, der von Bills Entscheidung erfuhr, war ihr langj�hriger Anwalt, Freund und Interimsmanager Bertis Downs. Nachdem Bill mit ihm gesprochen hatte, rief Bertis die anderen Bandmitglieder an, um sie m�glichst schonend darauf vorzubereiten, da� ihr Freund und Drummer sie verlassen wolle. "Bertis rief an und sagte, da� Bill uns etwas sehr Wichtiges mitzuteilen habe", erinnert sich Mike Mills. "Er hatte noch nicht aufgelegt, da� klingelte das Telefon bei mir und Michael war am Apparat. Er hatte ebenfalls einen Anruf von Bertis bekommen und fragte mich, ob ich wisse, was das bedeute... ich sagte, ich wei� es nicht, aber ich glaube, das bedeutet nichts Gutes."

Einen Tag sp�ter kam Bill p�nktlich zur Probe - um sich von seinen langj�hrigen Freunden und Bandkollegen zu verabschieden. Leicht fiel es ihm nicht - aber er hatte seine Entscheidung getroffen und alle Versuche, ihn umzustimmen, waren zwecklos.

Am h�rtesten traf es vermutlich Peter. Mike und Michael reagierten zwar best�rzt und traurig, hielten sich aber zur�ck und bem�hten sich, Bills Entscheidung zu respektieren. Peter jedoch verstand Bill nicht sofort. Er best�rmte ihn, es sich noch einmal zu �berlegen. Er bat ihn, noch einmal dr�ber zu schlafen. Noch am selbem Abend ging er mit Bill essen und machte ihm ein Angebot: "Ich sagte, h�r zu, Bill, ich wei�, Du magst nicht gern reisen. Ich verspreche Dir, wenn Du bleibst, n, es sich noch einmal zu �berlegen. Er bat ihn, noch einmal dr�ber zu schlafen. Noch am selbem Abend ging er mit Bill essen und machte ihm ein Angebot: "Ich sagte, h�r zu, Bill, ich wei�, Du magst nicht gern reisen. Ich verspreche Dir, wenn Du bleibst, werden wir nie wieder touren. Wir nehmen alle Alben in Athens auf. In Deiner eigenen Scheune, wenn Du willst. Und wenn es denn doch notwendig sein sollte, da� wir reisen, stellen wir einen Ersatzdrummer an." Peter lehnte sich weit aus dem Fenster, waren solche Vereinbarungen doch, ganz entgegen der jahrzehntelang geltenden, ungeschriebenen R.E.M.-Gesetze nicht mit den anderen abgesprochen gewesen. Aber Bill lie� sich sowieso nicht umstimmen. "Es w�re nicht fair gewesen", sagte er sp�ter, "wenn drei Leute 100 % geben - und einer maximal 30 %."

Am 31. Oktober wurde Bills Abschied von der Band in einer Pressekonferenz offiziell bekanntgegeben.

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